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Ein Tag voller Überraschungen

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Neugierige Vierbeiner – sie kamen durch die Tür bis auf die Veranda

Wir haben beide tief und fest geschlafen. Als ich aufwachte, es war recht warm da oben, wollte ich etwas Frischluft hereinlassen, was sich mit unserem Schlafzimmer Fensterchen als nicht ganz einfach herausstellte. Nachdem wir die Matratze etwas zur Seite geschoben haben hat’s dann doch geklappt. Die Frischluft, zwitschernde Vögel und sonst kein weiteres Geräusch. Idylle pur! Und erst die Aussicht direkt aus dem Bett!

So richtig zum Genießen kamen wir aber nicht, denn plötzlich hörten wir lautes Hundegebell, ganz viel Hundegebell! Es hörte sich an, als wäre es ganz in der Nähe unseres Domizils, aber genau orten ließ es sich dennoch nicht. Dann noch etwas, das sich wie eine Kuhglocke anhörte. Neugierig bin ich gleich rausgerannt, aber es gab nichts zu sehen. Lediglich ein Mann mit Warnweste und Gewehr und sein Hund der eine Glocke um den Hals trug gingen gemächlich einher, unweit von unserem Haus.

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Treibjagd auf Wildschweine 

Dann fiel mir obiges Schild auf. Ich musste es nachgooglen. Die Saison zum Jagen der Wildschweine hat an diesem Tag begonnen. Leider hatte man vergessen uns darüber zu informieren.

Sowas hatte ich bisher im richtigen Leben noch nicht gesehen und gleich meine Kamera geholt. Das musste ich unbedingt festhalten. Wer weiß, ob ich sowas je wieder sehen werde. Aber als ich wieder herauskam, waren Hund und Jäger verschwunden.

Etwas enttäuscht ging ich wieder zurück auf die Terrasse. Das Glockenläuten ging aber weiter und wir hörten zwischendurch immer wieder Schüsse. Mal waren sie lauter, dann wieder leiser, dann war es wieder ganz still und nur die einlullenden Oldies aus unserem Vintage Radio, dessen Sender man noch mit einem Drehknopf  suchen musste, durchdrangen diese wundervolle Stille beim Frühstück. Das ging so über mehrere Stunden.

Zwischendurch hörte man immer wieder ein go, go, go und ich stellte mir gerade vor, wie es wohl wäre mein erstes echtes Wildschwein zu sehen oder wie man es aus Filmen kennt, die erlegte Beute so in einer Reihe aufgereiht am Boden liegen zu sehen. Widerspricht  zwar meiner Natur, denn ich könnte keinem Tier was zuleide tun, aber die Neugierde war größer.

Am Tag davor noch hat unser Vermieter zwar von Wildschweinen und Treibjagden geredet, aber mit keinem Wort erwähnt, dass heute der erste Tag der Saison ist und auch nicht, dass die erste Treibjagd der Saison so nah bei uns stattfinden würde. So wurden wir ganz unverhofft und unerwartet Zeugen der ersten Treibjagd dieses Jahres, unsere allererste Treibjagd überhaupt und wir durften sie hautnah miterleben.

Und dann war es auf einmal direkt vor uns – unser erstes Wildschwein

Mein Tagtraum wurde je unterbrochen. Vor unserem Haus wimmelte es auf einmal nur so von Jägern und Hunden. Schnell griff ich zur Kamera und rannte hinaus. Die Jäger gaben ihren Hunden Wasser. Ein Transportanhänger wurde in der Haarnadelkurve direkt vor unserem Häuschen abgestellt. Er sollte die von der Treibjagd müden Hunde zurück nach Poppi bringen.

Aber inzwischen begutachteten und beschnupperten sie noch unseren Vorgarten und unsere Terrasse und einer flitzte ganz schnell an uns vorbei bis in die Küche. Sein Herrchen gleich hinterher, um ihn aus der Küche zu holen. Dabei hat er sich wegen seines ungehorsamen Freundes tausendmal entschuldigt.

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Das erlegte Wildschwein wird auf dem Anhänger ins Tal gebracht.

Sechs Wildschweine wurden an diesem Tag erlegt. Eins davon wurde direkt an unserem Häuschen vorbei im Hänger ins Tal transportiert, aber nur weil die Jäger an dem Transportauto für die Hunde nicht vorbeifahren konnten und abwarten mussten, bis die Hunde verladen waren und ins Tal transportiert wurden, war uns ein Blick auf ein erlegtes Wildschwein möglich.

In mir fand eine Achterbahn von Gefühlen und Eindrücken statt. Einerseits mag ich keine toten Tiere und auch der Tod ist für mich abschreckend, denn ich habe Mitleid mit jedem Lebewesen, andererseits aber hat mich das ganze Drumherum unbeschreiblich fasziniert und hat das Adrenalin in meinen Adern hochschießen lassen, dass ich mich auf eine mir vollkommen unbekannte Art und Weise von diesem erlegten Tier angezogen fühlte, die man so nicht in Worten fassen kann.

Die Unterhaltung der Jäger, auch wenn ich sie nur bruchstückhaft verstand – viel zu schnell haben sie gesprochen und in einem Durcheinander, dass ich wahrscheinlich auch im Deutschen meine Probleme gehabt hätte – ging über die Jagd, wie sie das Tier zum Erliegen gebracht, wie sie die Hunde auf das arme Schwein gehetzt und es letztendlich eingekreist und erschossen haben.

Lamberto der gleich nebenan wohnt und das Geld für die Renovierung seiner Hütte nicht aufbringen kann, um sie dann auch an Touristen zu vermieten, hat uns in einer Mischung aus Italienisch, Deutsch und Englisch ein bisschen über die Jagd erzählt. Von ihm haben wir auch erfahren, dass es die erste Treibjagd des Jahres war und dass es viele Jäger in der Gegend gibt, die dafür sorgen, dass die Zahl der Wildschweine konstant bleibt, aber auch, dass nur an vier Tagen in der Woche gejagt werden darf und die Jäger sich diese Tage untereinander aufteilen müssen. Wenn die festgelegte Anzahl der zum Abschuss freigegebenen Wildschweine erreicht wurde, ist die Jagdsaison für das aktuelle Jahr zu ende.

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Müde und hungrig geht’s in Richtung Heimat … den Durst konnten die Hunde ja stillen,
aber der Hunger blieb.

1 Kommentar »

  1. Wildschweinbraten, mmmh. Ich weiß zu wenig über die italienischen Jagdregeln, aber in D. darf kein Wild (vor dem Schuß) gehetzt werden, wie es im Text heißt. Hunde und Treiber sollen nur beunruhigen. Niemand braucht hochflüchtiges Wild, führt auch nur zu schnellen, schlechten Schüssen.

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  2. Mit den Regeln der Jagd in Italien kenne ich mich auch nicht aus und die von uns beobachtete und fast hautnah miterlebte Treibjagd, war eine richtige Hetzjagd. Zumindest wurde uns das so geschildert.

    Die Wildschweine wurden von den losgehetzten Hunden immer mehr in den Talkessel in die Enge getrieben, bis es kein Entkommen mehr gab und sie von den Jägern abgeschossen werden konnten.

    Ob es sich dabei um Jägerlatein handelte, kann ich nicht sagen. Es ist auch schon über 8 Jahre her.
    Ich weiß nur, dass einer der Jäger seinen Hund immer wieder den Hang mit dem Befehl GO GO GO hinunter schickte. Immer wieder hörte man die Hunde bellen und zwischendurch Schüsse knallen.

    So wie die die Hunde losgeschickt haben, kann ich mir nicht vorstellen, dass diese Mensch und Tier beruhigen konnten. Vielleicht war es vor 8 Jahren noch so und ist heute wieder ganz anders, auch in Italien. Dennoch war es für uns ein ganz besonderes Erlebnis.

    Tiere jagen und töten ist ganz und gar nicht unser Ding, aber als wir so plötzlich und unerwartet damit konfrontiert wurden und auch noch mitten drin waren, hat es unser Blut dann doch in Wallung gebracht.

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